So tickt der österreichische Markt bei Cyber und D&O

So tickt der österreichische Markt bei Cyber und D&O

Last Updated on 2024-06-27
Finlex / Dr. Peter Loisel, 19.06.2024

Spannende Ergebnisse der Publikum Votings beim Finlex Financial Lines Summit Austria 2024.

„Wenn man schon 110 Expertinnen und Experten aus der Financial Lines Szene bei einer Veranstaltung vor Ort hat, dann wäre es doch großartig, diese Gelegenheit zu nutzen, um die Community in wichtige Fragestellungen einzubinden“ – so lautete das Credo des Initiators des Financial Lines Summit (FSA) Peter Loisel, Country Head Austria bei Finlex.

  1. Marktgröße Österreich: D&O etwa 60 bis 70 Mio. Euro, Cyber ca. 35 Mio. Euro

Die erste Abstimmung betraf die Frage, wie groß der österreichische Markt für D&O- und Cyberversicherungen ist. Hier tappt die Branche im Dunkeln, da es in Österreich keine offiziellen Statistiken gibt.

Ausgangspunkt für die Diskussion dieser Frage waren die Schätzungen zur Größe des deutschen Marktes. Nach Einschätzung der teilnehmenden Kenner dieses Marktes beträgt das Prämienvolumen in Deutschland ca. 800 Mio. bis eine Mrd. Euro für D&O und 400 bis 450 Mio. Euro für Cyber p.a.- mit rasanten Wachstumsraten.

Die Schätzungen der teilnehmenden Experten zur Größe des österreichischen Marktes lagen anfangs noch weit auseinander, im Laufe der Abstimmung ergab sich dann die Einschätzung eines aktuellen jährlichen Prämienvolumens von etwa 60 bis 70 Mio. Euro für D&O und ca. 35 Mio. Euro für Cyber.

Dies erscheint auch im Vergleich zu Deutschland – hier wird in Wirtschaftskreisen gerne die „1:10-Formel“ verwendet – durchaus plausibel. Bei den Unternehmensversicherungen D&O und Cyber muss man aber realistischerweise einen gewissen Abschlag machen, da Österreich weniger Großindustrie hat und die Versicherungsdichte im KMU-Segment noch geringer ist.

  1. Was sind die wichtigsten Kaufkriterien für D&O- und Cyber-Produkte in Österreich?

Im Financial Lines Markt sind sehr unterschiedliche Versicherer tätig – große bekannte Marken ebenso wie etablierte D&O- und Cyber-Spezialanbieter und einige neue Player.

Beim FSA haben die Teilnehmenden in einem Live-Voting über die wichtigsten Eigenschaften der von ihnen ausgewählten D&O- und Cyber-Produkte abgestimmt.

Die Ergebnisse (auf einer Wichtigkeitsskala von 1 bis 10 Punkten) waren teilweise überraschend:

Die Markenbekanntheit spielt mit nur etwas mehr als 5 von 10 Punkten eine untergeordnete Rolle. Hier zeigt sich, dass die Financial Lines ein Segment sind, in dem auf D&O und Cyber spezialisierte Versicherer größere Marktanteile haben als die großen Versicherer. In Österreich kommt bei diesem Thema hinzu, dass die großen österreichischen Versicherer teilweise überhaupt keine marktüblichen D&O- und Cyber-Produkte anbieten.

Österreichische Makler haben aber oft keinen direkten Zugang zu den Angeboten der Spezialanbieter, die zum Teil keine lokale Vertretung haben, sondern den Markt von Deutschland aus bearbeiten.

Als wichtigstes Kriterium ergab das Publikum Voting mit 9 von 10 Punkten die Qualität der Schadenregulierung. D&O-Schäden, bei denen es um den Vorwurf einer möglichen Pflichtverletzung von Unternehmensorganen geht, sind ein sehr sensibles Thema. Auch bei Cyber-Schäden ist die schnelle und professionelle Unterstützung im Zuge eines Cyber-Angriffs entscheidend für die Kundenzufriedenheit.

Hinzu kommt, dass einige D&O- und Cyber-Produkte problematische und unklar formulierte Klauseln in den Deckungskonzepten enthalten, die zu Problemen bei der Schadenregulierung führen können. Als Beispiel sei hier nur die aus Expertensicht abzulehnende „Stand der Technik“-Obliegenheit im Cyber-Bereich genannt.

Mit 8,7 Punkten wurde die Qualität des Deckungskonzepts sowohl bei D&O als auch bei Cyber vom Publikum zum zweitwichtigsten Kriterium gewählt.

Die Wichtigkeit einfacher Antragsprozesse wurde mit 8,1 Punkten bewertet. Dies verwundert nicht, da Anbieter oft auf einem eigenen Risikofragebogen bestehen, der je nach Unternehmensgröße zwischen 10 und weit über 100 Fragen umfassen kann.

Die Bedeutung attraktiver Prämien wurde in der Publikumsabstimmung überraschenderweise nur mit knapp 7 Punkten bewertet.

In der Diskussion wurde dazu angemerkt, dass hier möglicherweise ein „Response Bias“ (Antworttendenz/Wunschdenken) vorliegen könnte und in der täglichen Konkurrenzsituation eine niedrige Prämie oft doch einen größeren Einfluss auf die Kaufentscheidung hat als die Deckungsqualität, die vielen Kunden auch schwerer bewusst gemacht werden kann.

In der aktuellen österreichischen Marktsituation schwanken die Prämiensätze sowohl bei D&O als auch bei Cyber laut Finlex-Preismonitor aufgrund der zuletzt erkennbaren soft market-Tendenzen vom günstigsten bis zum teuersten Anbieter um ca. 100 Prozent.